#12 Ein Geschmack von Ewigkeit

Nach einem langen, kurzweiligen Sommer draußen bin ich vor einer Woche nach Berlin zurückgekehrt, genährt und erfüllt von Licht, Luft und Natur. Und obwohl ich die üppige Wärme, die strahlende Helligkeit und die Extrovertiertheit des Sommers liebe und sie meist noch über ihr natürliches Haltbarkeitsdatum hinaus festhalten möchte, fühle ich mich zu meiner eigenen Überraschung jetzt bereit, den Sommer gehen zu lassen.
 
Ich war diesen Sommer in Norwegen – zum ersten Mal überhaupt in Skandinavien. Kernstück unserer Reise waren zehn Tage auf dem 60 km langen Femundsee, den wir mit Kajak und Faltboot von Süden nach Norden durchpaddelt haben. Zehn Tage fernab der Zivilisation, um uns herum nichts als Natur – und das heißt dort: unberührte, über Jahrmillionen entstandene Landschaft aus Wasser, Stein und Wald. Ein Geschmack von Ewigkeit. Außer in den Alpen habe ich bisher keine Landschaft mit einer so enormen Präsenz erlebt. Eine Präsenz von solcher Wucht, dass mir mein Leben zuhause seltsam fern und irreal erschien. Und eine Präsenz, die für mich stark von Gegensätzen geprägt war: Kargheit und Üppigkeit, Schwere und Leichtigkeit, Einsamkeit und Verbundenheit, Bedrohung und Freiheit habe ich alle zugleich dort erlebt. In dieser Hinsicht bin ich mit sehr gemischten Gefühlen heimgekehrt.
 
Eine große Klarheit jedoch hatte ich in einem Moment auf dem Wasser, an dem Tag, an dem das Foto oben entstanden ist. Mitten in dieser gewaltigen Landschaft war da plötzlich das basale, absolute, unverhandelbare Bewusstsein in mir: Die Erde braucht uns nicht. Aber wir, wir können nicht ohne sie, nicht für einen einzigen Tag unseres verletzlichen Lebens, wenn wir atmen, trinken, uns ernähren wollen, wenn wir leben wollen. So eindrücklich habe ich die ungleiche Beziehung zwischen der Erde und uns vorher noch nicht erlebt. Das hat mich an einen Leserbrief erinnert, den ich im November 2017 aus der taz ausgeschnitten und all die Jahre aufgehoben habe. Die Leserin kommentiert darin einen Artikel zur Klimawende, der den Titel „Es ist kaum zu schaffen“ trug: „Doch, es ist zu schaffen, allerdings mit ganz neuen Wegen, vor allem in Richtung Suffizienz: Wir halbieren unseren Konsum – von der Ernährung über die Kleidung, das Wohnen, Reisen, die Mobilität, ja sogar bis hin zur Gesundheitsvorsorge und schon klappt’s.“ Die Klarheit und Bedingungslosigkeit dieser Worte beeindruckt mich nach wie vor. Und ich persönlich habe mich entschieden, dass ich diesen Weg mitgehen möchte. Es fühlt sich gut und richtig an, die Reduktion als Gestaltungsprinzip für sein Leben anzunehmen und sich daran immer wieder neu, so gut es eben geht, auszurichten.
 
Am Dienstag 19.9. startet mein nächster MBSR-8-Wochen-Kurs in Berlin Neukölln. Vor jedem Kursbeginn spreche ich mit allen einzeln über die Rahmenbedingungen, über Vorerfahrungen und Motivation. Für einige ist die Achtsamkeit noch unbekanntes Terrain, andere sind bereits mit Meditation oder achtsamer Körperarbeit in Kontakt gekommen. Die, die die Meditation schon einmal für eine Weile in ihren Alltag eingebaut haben, haben mir ihre Motivation so beschrieben: „Es ist ein Gegenpol zum Vielen im Alltag.“ – „Ich bin seither akzeptierender mit mir selbst.“ – „Es bringt Heilung.“ Einfache, aber gewichtige Gründe. Auch deswegen freue ich mich auf diesen nächsten Kurs. Drei freie Plätze gibt es noch.
 
Und auch für meine neue Fastenwoche in Wiek auf Rügen sind noch drei Plätze bzw. Ferienwohnungen frei (übrigens im skandinavischen Stil erbaut – so schließt sich mal wieder ein Kreis). Vom 7.-13.10. erwarten uns Meer, Wind und Weite … und wie in allen meinen Fastenwochen Meditation, achtsame Körperarbeit und Wanderungen durch die wunderbare Natur, die auf Rügen von besonders abwechslungsreicher Schönheit ist – auch da mit einem kleinen Geschmack von Ewigkeit …
 
Liebe Grüße aus dem Jetzt,
Suse (Susanne)
 
PS. Wer Wissen und Bewusstsein zum Thema Mensch und Planet etwas vertiefen möchte, könnte das hiermit tun:

  • Blog Klimaplanet der jungen Agrarökologin Christina den Hond-Vaccaro
  • Buch Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie von Niko Paech